Glücklicherweise
hatten Theo Messings Enkelkinder ihren Großvater schon dazu überredet, seine
Memoiren zu schreiben. Aber er zögerte noch, diesen Text in Buchform zu
veröffentlichen. „Wen interessiert das?“, wollte er von mir wissen, als wir uns
zu einem Interview für einen Dokumentarfilm über Duisburg trafen, und er mir
dabei von seinem Vorhaben erzählte. Den ersten Teil seines schon sehr weit
fortgeschrittenen Manuskripts überreichte er mir mit den Worten: „Lesen Sie es
und sagen Sie mir, ob sich eine Publikation lohnt!“
Theo Messing – das spürt sofort jeder, der ihn kennen lernt – ist ein sehr
kommunikativer Mensch. Dass er etwas zu sagen hat, beweisen seine Memoiren. Sie
wenden sich zunächst an seine Familie sowie an den großen Kreis seiner Freunde,
Bekannten und Geschäftspartner. Aber sie wenden sich auch an die historisch
interessierte Öffentlichkeit. Denn Theo Messing, Jahrgang 1924, ist ein
Zeitzeuge für die deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert, und das in mehrfacher
Hinsicht.
Da
ist zunächst der erfolgreiche mittelständische Unternehmer und Gründer einer
‚Firma ohne Schornstein’. Nach dem Studium an der Technischen Hochschule
Aachen, das er als Diplom-Ingenieur und mit dem Doktor-Titel abschließt,
gründet Theo Messing 1953 mit Fred Sowen die ‚Messo Gesellschaft für
Verfahrenstechnik’ und eine Arbeitsgemeinschaft mit der
Standard-Kessel-Gesellschaft Duisburg. Am Anfang steht der von ihm
hochentwickelte Dampfstrahlapparat, später folgen Konzepte für neue Anlagen zur
Herstellung kristalliner Produkte, für biochemische Erzeugnisse, für die
Vakuum-Metallurgie und für den Umweltschutz.
Mit
den Partnern der Arbeitsgemeinschaft gründet Theo Messing 1960 die
Standard-Messo Duisburg, eine Denkfabrik für neue Technologien, die seitdem
rund um den Globus umfangreiche Projekte des Großanlagenbaus durchführt. Den
Duisburgern ist das 1972 eingeweihte, im Stadtzentrum gelegene Messo-Hochhaus
ein Begriff, mit damals mehr als 200 Ingenieuren, Chemiker, Biologen,
Konstrukteuren, Technikern und Kaufleuten ein
Wahrzeichen für Duisburg.
Da
ist sodann der ‚local hero’ Theo Messing. An der wirtschaftlichen Entwicklung
seiner Heimatstadt Duisburg hat er in führenden Positionen mitgearbeitet: in
der Industrie- und Handelskammer, im Unternehmerverband, in der Gesellschaft
für Technologieförderung, im engen Vorstand des Verbandes der Deutschen
Maschinen- und Anlagenbauer sowie als Sprecher der Arbeitsgemeinschaft
Deutscher Großanlagenbau. Dazu zählt auch die
von Theo Messing mitgeförderte Partnerschaft mit der chinesischen Stadt
Wuhan 1982 sowie das 1986 gegründete Technologiezentrum in Duisburg zur
Förderung junger Unternehmer. Durch sein kulturelles Engagement etwa im
Lehmbruck Museum und bei dem Freundeskreis der Salvatorkonzerte hat Theo
Messing bewiesen, dass er seine gesellschaftliche Verantwortung als Unternehmer
ernst nimmt.
Da
ist ferner der ‚Privatmann und Familienmensch’ Theo Messing. Aus einfachen
Verhältnissen stammend, in mit sieben Geschwistern in Duisburg aufgewachsen und
vom katholischen Milieu geprägt, hat er seine Kindheit und Jugend im ‚Dritten
Reich’ erlebt. Mit viel Mut zur Offenheit schildert er seine Erlebnisse im
Jungvolk und als U-Boot-Offizier während des Zweiten Weltkriegs sowie den
Neuanfang nach 1945.
Ebenso
bereitwillig gewährt Theo Messing seinen Lesern Einblicke in sein Familienleben
und beschreibt anschaulich etwa die gemeinsam mit Frau und Kindern
unternommenen, oft abenteuerlichen Reisen in aller Herren Länder. Soziale
Netzwerke außerhalb des Familienkreises spielen in seinem beruflichen und
privaten Leben eine wichtige Rolle: Angefangen von seinen U-Boot-Kameraden über
die studentische Verbindung in Aachen bis hin zum Rotary-Club, zum Duisburger
Golf-Club und zum Baden-Badener Unternehmergespräch.
Und
schließlich ist da der ‚Unternehmer mit poetischer Ader’, der zu
philosophischer Weltbetrachtung neigt. Theo Messing äußert sich zu aktuellen
Themen aus Wirtschaft, Gesellschaft und Technik: Er kritisiert etwa die
übertriebene Bezahlung von Profi-Fußballern ebenso wie die seiner Meinung nach
unsachliche Diskussion über Umweltprobleme und warnt vor den Folgen einer nicht
auf die langfristige und nachhaltige Herstellung und Lieferung von realen
Produkten ausgerichteten Wirtschaftspolitik. Das tut er auf eine Weise, die den
besonderen Reiz seiner Memoiren ausmacht: in einer Mischung aus Erzählung,
Gedichten und - frei nach Arthur Schopenhauer – ‚Aphorismen zur Lebensweisheit’.
Diese
allerdings sind, anders als bei dem großen Philosophen des Pessimismus, von
einem positiven und optimistischen Grundton durchzogen. Selbstbewusstsein und
Unabhängigkeit stehen bei Theo Messing ebenso hoch im Kurs wie Teamgeist und
Toleranz. Die Anerkennung von Leistung zählt für ihn mehr als Geld oder
materielle Anreize. Erfolg haben wird derjenige, der mit Einsatz und Lust bei
der Sache ist, der Fantasie hat und Visionen entwickelt. Das Wissen und Können,
das man von anderen erhalten hat, muss man weitergeben und auf diese Weise
junge Talente fördern. Man muss jeden das tun lassen, was er besser kann als
man selbst.
Ein
Leitmotiv kehrt in mehreren Variationen immer wieder: Es kommt nicht auf
Äußerlichkeiten an, sondern auf den Wert der Persönlichkeit. Daher ergänzt Theo
Messing das Goethe-Wort „Namen sind Schall und Rauch“ mit dem Zusatz: „Sei wie
Du bist, dann bist Du es auch!“
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